|

“Der lange Weg zurück” – Presseartikel

Nach fast dreijähriger Erkrankung startet Sven Paufler erstmals wieder mit seinem Bruder Marcel im Zweier

von Jörg Niemeyer / Weser-Kurier SPORT

Seit 2019 erstmals gemeinsam wieder bei einem Wettkampf im Zweier: Sven (links) und Marcel Paufler FOTO: CHRISTINA KUHAUPT

Bremen. Zufrieden sitzen Marcel (28) und Sven Paufler (25) auf der Anlage des Störtebeker Bremer Paddelsportvereins auf einer massiven Holzbank. Es ist kurz nach acht Uhr, und die beiden Brüder haben ihre morgendliche Trainingseinheit für die am kommenden Wochenende anstehenden deutschen Meisterschaften im Kanumarathon bereits hinter sich. Weil der jüngere Bruder bereits um 9 Uhr am Schreibtisch sein muss, trifft sich das Duo an vier von fünf Arbeitstagen um 6 Uhr im Bootshaus. So ist das eben bei waschechten Amateuren.

"Es fühlt sich gut an, wenn man morgens so früh schon was getan hat", sagt der frischgeduschte Marcel Paufler und lacht. Kein Problem für die beiden, dass ihre Wecker um kurz nach fünf klingeln. Die Trainingsarbeit der beiden Weltklasse-Kanuten ist nämlich nicht nur anstrengend, sondern bietet auch einen echten Mehrwert: den Genuss der am Morgen unberührt erscheinenden Natur. "Herrlich, wenn man vom Wasser aus in den blauen Himmel schaut", sagt Marcel Paufler. Dass die Brüder gemeinsam nach oben und vor allem nach vorne blicken können, hat lange in den Sternen gestanden. Sehr lange sogar, denn Sven Paufler hat seinen letzten großen Wettkampf, die Weltmeisterschaft, im Herbst 2019 gehabt. Danach folgte eine fast dreijährige Leidenszeit mit Pfeifferschem Drüsenfieber und Bandscheibenvorfall. Erst im vergangenen Sommer stieg er wieder ins Training ein - ohne zu wissen, ob er es jemals zurück an die Spitze schaffen würde.

Das weiß der 25-Jährige jetzt auch nicht genau. Doch er wähnt sich auf einem guten Weg. Vor einigen Wochen, in seinem ersten Einer-Rennen gegen Weltklassekonkurrenz in Amsterdam, lief es sehr gut bei ihm. "Wenn du fast drei Jahre raus bist, ist die Ausdauer nach nur einem halben Jahr natürlich noch nicht wieder da", sagt Sven Paufler. Aber die Zeitabstände, die er und Marcel zu den Topleuten aufwiesen, machten dem Duo Mut. Denn auch der ältere Bruder hat gerade erst eine schwere Verletzung auskuriert.

Kalte und eklige Monate

Kurz vor Weihnachten hatte Marcel Paufler sich die linke Schulter gebrochen. Das allein war schon schlimm genug. Doch für Sven Paufler hatte es die Folge, dass er in den dunklen Wintermonaten morgens allein auf Kleiner Wümmer und Kuhgraben unterwegs sein musste. "Kalt und eklig" sei das gewesen, sagt er. Gefühlt habe die Zeit aber den Vorteil gehabt, dass er die Leistungslücke zu seinem Bruder verkleinern konnte.

Wer am Ufer der Kleinen Wümme steht, kann sich kaum vorstellen, dass sich dieses schmale Gewässer zwischen Universität und Kleingartengebiet am Rande des Bürgerparks als Trainingsstätte für eines der weltweit besten Duos im Kanumarathon eignet. Doch die zuweilen quälenden Mühen der vergangenen Monate haben sich für beide gelohnt. Einerseits, weil sie ihre Karrieren fortsetzen können. Andererseits, weil ihre Trainingsleistungen fast so gut sind wie vor vier Jahren. Das wissen sie, weil sie über ihr Training genauestens Buch führen.

Was für die Pauflers am Wochenende bei der deutschen Meisterschaft möglich ist, werde sich zeigen müssen. Ihr Hauptaugenmerk liege diesmal jedenfalls auf dem Zweier, der eigentlich nur bei großen Wettbewerben auf dem Programm steht - also jetzt bei der DM oder bei EM und WM, für die sie sich nun qualifizieren wollen. Der DM-Titel wäre die sichere Qualifikation dafür. Der zweite internationale Startplatz für Deutschland wird vom Trainerrat vergeben, der mangels der Zweier-Wettbewerbe aber nur wenig belastbare Daten habe.

Vorab fühlen sich die Pauflers aber schon ein wenig wie Sieger. "Der Zweier macht mit Sven natürlich viel mehr Spaß", sagt Marcel Paufler , dessen Schicksal in gewisser Weise mit dem seines Bruders verknüpft war. Jetzt freuen sich beide auf eine gemeinsame Zukunft auf dem Wasser, im Einer und im Zweier. Das allein fühlt sich schon wie ein Erfolg an. So ist ihnen vielleicht nicht egal, auf jeden Fall aber auch nicht besonders wichtig, ob sie gleich auf Anhieb in diesem Jahr wieder den besten deutschen Zweier besetzen werden.

"Wenn nicht, greifen wir im kommenden Jahr an", sagt Marcel Paufler. Jetzt werde es erst einmal spannend, wie das Comeback als Duo ausfällt. Ausdauer und Sprintfähigkeit könnten vor allem bei Sven Paufler noch Schwächen haben. Dafür hat das Bruderpaar jedoch auch einen unschlagbaren Vorteil: Weil es, wenn es gesund ist, auch im Alltag, jederzeit gemeinsam trainieren kann, funktionieren die Abläufe im Boot und bei den Portagen fast schon im Schlaf. In Rheine gibt es auf den insgesamt 24,1 Marathon-Kilometern vier dieser Abschnitte, auf denen die Kanumarathonis ihr Boot tragen müssen.

So könnte das größte Problem des DM-Wochenendes für die Pauflers die Tatsache werden, dass der Zweier erst am Sonntag gefahren wird - einen Tag nach dem Einer, bei dem die Kräfte entsprechend gut eingeteilt werden müssen. "Es wird spannend, wo wir dieses Jahr landen können", sagt Sven Paufler. Die Brüder sind zuversichtlich, dass sie es trotz der gesundheitlichen Rückschläge weit nach vorne schaffen können.

Großes Bremer DM-Aufgebot

Der Störtebeker Bremer Paddelsportverein startet am kommenden Wochenende in Rheine mit acht Aktiven bei der deutschen Meisterschaft im Kanumarathon. Das Aufgebot, Herren-Leistungsklasse: Sven und Marcel Paufler; Juniorinnen: Hjördis Sommer, Amalia Gebhardt-Apalategui; männliche Jugend: Simeon Böhm, Tjalve Sommer; weibliche Jugend: Marit Behrens; weibliche Schülerinnen A: Henriette Wicke. Bei den Masters starten im Mixed außerdem Klaus Gieres und Sarah Jung für die Kanurenngemeinschaft (KRG) Bremen.

JGR