“Angekommen in der europäischen Spitze”
Marcel Paufler holt im Kanu-Wildwasser seine ersten EM-Medaillen bei den Herren
von Jörg Niemeyer - 17.08,.2021 - Weserkurier Sport
Bremen. Vielseitig ist er, dieser Marcel Paufler - so vielseitig, dass er dem deutschen Nationalteam bei der Europameisterschaft im Kanu-Wildwasser als Ersatzmann zu gleich zwei Bronzemedaillen verhalf. Eigentlich war der 26-Jährige vom Verein Störtebeker Bremer Paddelsport im nordspanischen, gut 50 Kilometer nordöstlich von Léon gelegenen Sabero nur für zwei Einsätze im Kajak vorgesehen. Weil aber zwei deutsche Fahrer ausgefallen waren, sprang Paufler in zwei Canadier-Teamwettbewerben ein. Und machte seine Sache so gut, dass es Medaillen gab.
"Mit diesen Einsätzen hatte ich nicht gerechnet", sagte Marcel Paufler am Montag nach seiner Rückkehr. Er habe viel Lob von seinen Teamgefährten bekommen, zollte denen aber auch größten Respekt. Denn während die Kajakfahrer im Boot sitzen, knien die Canadierfahrer. "Mir hat hinterher alles wehgetan", sagte Paufler. Für ihn ist die kniende Haltung zwar nicht fremd, aber ungewöhnlich. 21:34,36 Minuten dauerte es, bis die drei Zweier auf der Classicdistanz von knapp sechs Kilometern im Ziel waren. Dazu kamen etwa zehn bis 15 Minuten Einfahrzeit, sodass die Fahrer insgesamt deutlich länger als eine halbe Stunde unter ihrer Spritzdecke knieten. "Da schlafen dir die Beine komplett ein", sagte Paufler.
Die zweite Chance im Canadierzweier erhielt Paufler am EM-Schlusstag im Teamsprint über 350 Meter. Wie im Classicrennen, saß er mit dem mehrfachen Canadier-Weltmeister Normen Weber (Augsburg) im Boot - und erneut harmonierten beide gut. Frankreich (0:46,21 Minuten) und Tschechien (0:47,19) waren nicht zu schlagen, aber das deutsche Trio hielt in 0:48,66 Minuten die viertplatzierten Spanier (0:51,51) deutlich auf Distanz. Im Teamwettbewerb wird die Zeit gemessen, wenn das letzte der drei Boote einer Nation im Ziel ist.
"Um eine Medaille wollten wir mitfahren, das war schon der Anspruch."
Marcel Paufler, neuer Europameister
"Im Sprint bin ich als Marathonfahrer ohne Chance", sagte Paufler. Im Canadierzweier mit Weber war davon nichts zu spüren, aber in den beiden Vorläufen im Sprint-Kajakeinzel landete der Bremer ganz weit hinten im Klassement. Doch als die Sprintwettbewerbe begannen, war die EM für Paufler schon längst ein großer Erfolg. Mit dem Kajakteam hatten sich der Bremer, Finn Hartstein (Hamburg) und Andreas Heilinger (Köln) überraschend vor Frankreich durchgesetzt. "Um eine Medaille wollten wir mitfahren, das war schon der Anspruch der Trainer und des Teams", sagte Paufler. Dass es dann Gold wurde, überraschte angesichts der Dominanz der Franzosen im Einzelwettbewerb tags zuvor. Nach 18:07,74 Minuten waren die Deutsche im Ziel - und sie waren als Team damit fast elf Sekunden schneller als Paufler als Elftplatzierter der Einzelwertung. Was den 26-Jährigen noch mehr freute: Er holte endlich seine erste internationale Medaille bei den Herren. "Deshalb ist es für mich eine besondere Medaille", sagte er, "sie zeigt mir, dass ich in der europäischen Spitze angekommen bin."
Mit seinem Abschneiden in der Einzelkonkurrenz war Paufler jedoch nicht zufrieden. "Eine Medaille wäre in Normalform nicht unrealistisch gewesen", sagte er und hatte am Montag noch immer keine Erklärung dafür, dass er sein Potenzial nicht hatte abrufen können. "Die Vorbereitung lief gut, und einen gravierenden Fahrfehler habe ich auch nicht gemacht", resümierte er, "aber ich war nicht voll drin im Rennen." Obwohl er alles gegeben habe, sei er nicht an sein Limit gekommen. "Vielleicht war ich an diesem Tag mental nicht stark genug."
Die Vorstellung im Einzel nahm Marcel Paufler als Auftrag für sich selbst, künftig mehr im mentalen Bereich zu arbeiten. Das ist in einer nicht-olympischen Sportart im Wesentlichen ohne hauptamtliche Strukturen leichter gesagt als getan. Der Europameister aus Bremen müsste sich schon selbst um sportpsychologischen Beistand kümmern und den auch selbst finanzieren. Es ist eben das Schicksal eines echten Amateursportlers, der in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag im Auto 20 Stunden nach Bremen zurückgereist ist, um am Montag schon wieder an seinem Arbeitsplatz zu sitzen.
Doch Marcel Paufler hat sich darüber nie beklagt. Im Gegenteil: Er freut sich auf die nächsten Herausforderungen. Ende September steht die Marathon-WM in Rumänien an. Da wird Marcel Paufler auf jeden Fall im Einer starten und vielleicht auch im Kajakzweier. Allerdings nicht mit seinem erkrankten Bruder Sven, sondern mit dem inzwischen in Rostock lebenden Bremer Martin Schubert. Außerdem nimmt Paufler auch an den deutschen Meisterschaften im Wildwasser (8. bis 11. September) und im Marathon (8. bis 10. Oktober) teil.
Marathon oder Sprint: Der Kanute muss sich entscheiden
Als Marathonspezialist liebt Marcel Paufler im Kanu die ganz langen Distanzen von bis zu 30 Kilometern. Als Ausdauersportler liegen ihm daher auch im Wildwasser - "Das fasziniert mich genauso" - die langen Strecken besser als die Sprints. "Um im Sprint gute Platzierungen zu erzielen, müsste ich ganz anders trainieren", sagt der 26-Jährige. Jetzt bei der EM in Sabero war er im Sprint dabei, hat auch sein Bestes gegeben, aber nichts gewinnen können. Wie die Leichtathleten, entscheiden sich auch die Kanuten für Kurz- oder Langstrecke. Und für Kajak oder Canadier. In beiden Bootsarten könne man gut, aber wegen der technischen Unterschiede nicht in beiden spitze sein, sagt Marcel Paufler, der das Kajak bevorzugt. JGR